Hämophilie A und B

Die Hämophilie gehört zu den angeborenen, schweren Blutungsneigungen. Man unterscheidet zwischen vererbter und erworbener Hämophilie, verschiedenen Schweregraden der Hämophilie sowie den beiden Hauptformen Hämophilie A (80% der Fälle) und der etwas selteneren Hämophilie B. Häufig werden Patienten mit einer Hämophilie umgangssprachlich auch als „Bluter“ bezeichnet. In Deutschland leben aktuell etwa 10.000 Menschen mit dieser Erkrankung. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) leiden heute weltweit mehr als 400.000 Menschen an einer Hämophilie A.

Ursache für die Blutungsneigung ist ein Mangel an Faktor VIII bei der Hämophilie A oder einem Mangel an Faktor IX bei der Hämophilie B. Die Stärke der Blutungsneigung unterscheidet sich von Patient zu Patient stark und wird in verschiedene Schweregrade eingeteilt:

 Schweregrad  Faktorenkonzentration
 Schwere Hämophilie  < 1%
 Mittelschwere Hämophilie  1 – 5 %
 Leichte Hämophilie  6 – 25 %
 Subhämophilie Hämophilie  25 – 40 %

Behandlung der Hämophilie

Ziel der modernen Hämophilietherapie ist die 

  • Effektive Blutstillung
  • Vermeidung von Blutungsfolgen und Behinderung
  • Erhöhung der Lebensqualität

Um die Blutgerinnung bei Patienten mit Hämophilie zu normalisieren, kann der fehlende Gerinnungsfaktor ersetzt werden. Dieser wird entweder aus Spenderblut gewonnen oder gentechnisch (rekombinant) hergestellt. Je nach Behandlungsform werden diese Gerinnungsfaktoren nach Bedarf oder dauerhaft als Prophylaxe verabreicht. Patienten können sich diese Gerinnungspräparate heute in der Regel im Rahmen der ärztlich kontrollierten Heimselbstbehandlung selbständig verabreichen.

Unbehandelt kann der Hämophiliepatient sogar verbluten oder aber aufgrund von Blutungen in Gelenke und Muskulatur dauerhafte Schäden erleiden. Bei wiederholten Einblutungen in Gelenke besteht z.B. die Gefahr der Entwicklung einer Arthropathia Haemophilica, einer Schädigung der Gelenke die Schmerzen und Bewegungseinschränkungen bis hin zur Gelenksdeformation und Gelenksversteifung nach sich zieht.

Durch flankierende Maßnahmen, wie z.B. Physiotherapie kann der Symptomatik bei bereits bestehenden Schädigungen verbessert werden. Auch der künstliche Gelenksersatz bei Hämophilen gehört heute zum Therapiestandard.

Patienten mit einer Hämophilie sollten möglichst immer in speziellen Hämophiliezentren behandelt werden, da nur dort die Erfahrung und die nötige Infrastruktur vorhanden ist. 

Historisches zur Hämophilie

Noch bis etwa Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts betrug die durchschnittliche Lebenserwartung eines Hämophilen nicht mehr als 16 ½ Jahre. Therapiemöglichkeiten bestanden bis dahin nur in einem sehr geringen Umfang, beschränkten sich oft auf das bloße Vermeiden von Blutungsereignissen und eine symptomatische Schmerzbehandlung. Als einzig probates Mittel zur Blutstillung stand die Frischbluttransfusion mit all ihren Risiken zur Verfügung. Selbst kleinste chirurgische Eingriffe waren daher fast undurchführbar und immer mit Lebensgefahr verbunden. Das Leben eines Hämophilen war zu dieser Zeit schicksalhaft von der Wahrscheinlichkeit bestimmt, entweder zu „verbluten oder zu verkrüppeln, zu verarmen und zu vereinsamen".

Ab Mitte der sechziger Jahre konnten neu entwickelte gerinnungsaktive Plasmapräparate eingesetzt werden, was die Prognose der Hämophilie enorm verbesserte. Eine Infektion mit dem Hepatitis B Virus galt damals noch als „übliche“ Nebenwirkung der Hämophilietherapie. Im Laufe der siebziger Jahre wurden diese Präparate kontinuierlich in ihrer Wirksamkeit und Sicherheit verbessert und bald wurde eine breite Versorgung sichergestellt. Hämophiliepatienten konnten in den Folgejahren, gefördert durch die Einführung der ärztlich kontrollierten Heimselbstbehandlung, ein zunehmend normales Leben führen. Insbesondere Kindern konnte durch die jetzt mögliche prophylaktische Substitution eine altersentsprechende Entwicklung und ein normaler Schulbesuch ermöglicht werden.

Plötzlich überschattet wurden diese schnellen Fortschritte in den frühen 80er Jahre durch Masseninfektionen Hämophiler mit HIV und Hepatitis C, ausgelöst durch verseuchte Faktorenpräparate. Daher rückte die Therapie dieser Begleitinfektionen, insbesondere HIV, mehr und mehr in den Fokus der Behandlung und Forschung. Bis etwa 1995 nahmen die AIDS bedingten Todesfälle bei Hämophilen noch kontinuierlich zu; seither, hauptsächlich bedingt durch verbesserte antiretrovirale Therapiemöglichkeiten, wieder schnell ab.

Seit dem Ende der 80er Jahre stehen gentechnologisch hergestellte Faktor VIII – Präparate, etwas später auch gentechnologisch hergestellte Faktor IX – Präparate zur Verfügung. Durch diesen Durchbruch bei der Entwicklung rekombinanter Faktorenpräparate wurde sowohl die Sicherheit bzgl. Infektionen, als auch die Versorgungslage weiter verbessert.

Problematisch bei der Hämophilietherapie bleibt die sporadische Entwicklung von Hemmkörpern, deren Therapie immer noch ein nicht einfach zu lösendes Problem darstellt. Die Therapie der Hämophilie bleibt trotz der Palette zur Verfügung stehender moderner Präparate aber weiterhin vielfältig und oftmals schwierig. Auch treten aufgrund der hohen Therapiekosten in Zeiten leerer Kassen ökonomische Aspekte der Hämophilietherapie immer wieder in den Vordergrund.

Vererbung der Hämophilie

Die meisten Fälle der Hämophilie sind erblich bedingt, wobei es aber auch viele Neumutationen gibt. Die Hämophilie wird über die Geschlechtschromosomen vererbt. Frauen besitzen in ihrem Erbgut zwei X-Chromosomen, Männer ein X- und ein Y-Chromosom. Bei der Hämophilie handelt es sich um eine an das X-Chromosom gebundene Erbkrankheit, an der deshalb in erster Linie Männer erkranken. Frauen sind nur ganz seltener von der Bluterkrankheit betroffen, da ihr zweites X-Chromosom in der Regel unverändert ist. Sie geben das veränderte Gen jedoch weiter, d.h. sie sind Überträgerinnen (Konduktorinnen) so dass männliche Nachkommen die Bluterkrankheit bekommen können, weibliche Nachkommen selbst wieder Überträgerinnen sein können.

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